Im Rahmen der Seminarreihe des Marstalles des Klosters Einsiedeln, welche letztes Jahr bereits PD Dr. med. Andreas Platz, Leiter der Unfallchirurgie des Stadtspitals Triemli mit seinem Vortrag über Reitunfälle eröffnete, wurde am vergangenen Samstag dem 11. Februar 2006 mit dem Referat von Dr. med. vet. Simone Weiss ehemalige Leiterin der gynäkologischen Abteilung des Nationalgestüts Avenches über Pferdezucht ein weiteres spanendes Gebiet thematisiert . Das umfassende Programm wurde eingeleitet durch Anatomie und Physiologie der Stute, führte über die Karriereplanung des Pferdes zu den modernen Reproduktionsmethoden in der Pferdezucht. Dem guten und gemütlichen Mittagessen folgte eine praktische Demonstration an verschiedenen Stuten des ältesten Gestüts von Europa. Dieser eindrückliche Einblick in die moderne Diagnostk der Veterinärgynäkologie, welche den humanmedizinischen Mittel im Grossen und Ganzen gleichkommt, war einzigartig. In der Folge wurde die Stute während Trächtigkeit und Geburt begleitet und das Thema der Fohlenkrankheiten schloss den Exkurs ab.
Der Ablauf des dreiwöchigen Zyklus der Stute sowie die Problematik der exakten Vorhersage des Ovulationszeitpunktes erklärt, warum die heikle Besamung nicht immer erfolgreich ist. Es gilt insbesondere das komplexe Zusammenspiel der hormonellen Wechselwirkung und die dazugehörenden Verhaltensmuster zu kennen. Sowie Saisonalität und Individualität einer jeden Stute zu berücksichtigen. Hier zeigte Simone Weiss die Ultraschallbilder im Zusammenhang mit der Follikelreifung, welche nach wiederholter Betrachtung immer vertrauter und verständlicher wurden und Zyklusverauf erläuterten.
Die Pferdeträchtigkeit hat einen starken Einfluss auf die Leistungsbereitschaft und die Möglichkeiten der Sportstute. Der Einsatz zur Zucht will also sorgfältig geplant sein.
Analog zur Humanmedizin werden sämtlich Methoden auch in der Pferdemedizin angewandt. Hier reicht der Bogen von den verschiedenen Belegungsarten bis zum Embryotransfer und zur intrauterinen Besamung, welche mit hoher Präzision und Zuverlässigkeit erfolgt. Von entscheidender Wichtigkeit ist allerdings das Zuchtziel welches a priori genau definiert werden sollte.
Dem Mittagessen im Kloster folgte die praktische Demonstration an der Stute und es war schon gewöhnungsbedürftig, die anfänglich diffusen Grün-Schwarz-Bilder zu interpretieren. Nach kurzen Einführungen der Tierärztin wurden aber die am Morgen gelernten Muster erkannt und die Orientierung zunehmend einfacher und klarer. Dieser Teil war in erster Linie gedacht die Kommunikation zwischen Züchter und Tierarzt zu vereinfachen und den Züchter in die Lage zu bringen die Entscheide aufgeklärt mittragen zu können.
Es wurde der gesamte Weg des Fohlens von der Besamung, über den Fötus bis zur Geburt nachgezeichnet. Simone Weiss ging mit sehr viel Engagement auf die verschiedenen Phasen undBedrohungen des kleinen ?Stars-to-come" ein. Insbesondere der Geburtsvorgang birgt einige Tücken und hier kann die Begleitperson doch einiges falsch machen . Durch die enorme Praxis gelang es Simone einem das Vertrauen in den gesunden Menschenverstand und die Sicherheit zugeben, auch in Krisensituation optimal für die Stute und das Fohlen zu agieren. Immerhin ist ein normales Fohlen innert 15 Minuten nach der Geburt in Brustlage, hat innert 20 Minuten einen Saugreflex, kann innert 1 ? 2 Stunden stehen und saugt innert 2 Stunden erstmals bei der Mutter. Die Normalwerte eines Fohlen in der ersten Lebenswoche sind: eine Herzschlagfrequenz von 60-100 Schläge /Min, eine Atemfrequenz von 25-60 Stössen/Min und eine Rektaltemperatur von 38-39 Grad. Die Antikörper für das Immunsystem werden mit der Kolostralmilch bereitgestellt und müssen in den ersten 6 ? 12 Stunden aufgenommen worden sein und sind somit enorm wichtig.
Angesichts des oben beschrieben Leistungskatalogs ist es nicht verwunderlich, dass esProbleme geben kann: Das Fohlen kann nicht genügend stehen, es hat keinen Saugreflex ? findet die Zitzen nicht oder wird von der Mutter insgesamt verstossen. Es ist darum sinnvoll auf jeden Fall von der Mutter einige dl Kolostrum abzumelken und diese einzufrieren, um bei der nächsten Geburt aushelfen zu können. Es ist auch zweckmässig im Zweifelsfalle 24 Stunden nach der Geburt den Antikörpergehalt (IgG, Immunglobuline G) im Blut des Fohlens zu bestimmen und im Extremfall eine Plasma Transfusion vorzunehmen. Es wurden auch praktische Tipps gegeben: so sollten etwa bei einer Geburt genügend braunes Bier, Fencheltee oder Fohlen-Milchpulver greifbar sein, um dem Fohlen bei fehlender Milchproduktion der Stute auszuhelfen. So wurden ganz praktische Tipps auch von den Seminateilnehmern zusammengetragen, welche natürlich alle erfahre Züchter waren. So kam ein reger Erlebnisaustausch in Gange. Es ist dem didaktischen Geschick und der Offenheit von Simone Weiss zu verdanken, dass die Diskussionen sehr unterhaltend waren und ein wertvoller Erfahrungsaustausch zustande kam. Sie rundet den Tag ab mit Problemen, wie die Rhinopneumonie, Fohlen-Septikämie sowie Arthritis der Gelenke, Fehlstellungen der Extremitäten deren Früherkennung und Behandlung. Themen waren sodann auch die Fohlengelbsucht, Epiphysitis und Osteochondrose sowie deren Vorbeugung und natürlich Therapie. Auch hier waren wir erstaunt, mit welchen Methoden dem jungen Fohlen geholfen werden kann, seinen Stern zu verwirklichen!
Die Teilnehmer des Seminars waren begeistert über die Lebendigkeit, mit der eine zum Teil trockene Materie vermittelt worden ist. Immerhin haben sich einige Teilnehmer bereits für das nächste Seminar eingeschrieben.
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